ALLES IM LOT

"ALLES IM LOT" Konrad Wallmeier
Foto: Thomas Hammelmann
"ALLES IM LOT" Konrad Wallmeier
Foto: Thomas Hammelmann
ALLES IM LOT

Weißer Alurahmen mit  272 Wasserwaagen Libellen in Rot und Blau,

LED Backlight

40 x 40 x 4 cm, L x B x T
1/1
2020

Die Arbeit besteht aus 129 Roten und 193 blauen Libellen, die in 8 Spalten und 34 Reihen angeordnet sind. Jede Reihe ist in einem 8-bit-Muster codiert. Mithilfe eines Random Generator wurden alle 34 Reihen erzeugt, so dass sich in keiner Reihe und Spalte das Muster wiederholt.

 

Die Wasserwaage ist ein Prüfgerät zur horizontalen oder vertikalen Ausrichtung eines Objektes und besteht aus einer gefassten Libelle (lat. kleine Waage). In der Messtechnik bezeichnet Libelle einen, in Wasserwaagen oder an anderen Messinstrumenten befindlichen, kleinen, mit einer leicht beweglichen Flüssigkeit gefüllten Glaszylinder, in dem eine Luftblase die waagerechte, geneigte Lage ebener Flächen anzeigt. Das auszurichtende Objekt ist dann korrekt positioniert, wenn sich die Luftblase in der Libelle genau in der Mitte befindet. Die Wasserwaage ist ein elementares Werkzeug im (Bau-)Alltag und nicht mehr wegzudenken. Sie hilft uns dabei Gegenstände und Bauobjekte vertikal, horizontal oder in einer bestimmten Neigung auszurichten und unser, den Einflüssen und Manipulationen unserer Umwelt unterlegenes, Augenmaß auszugleichen.

 

Schwerkraft und Gleichgewichtssinn bedingen die Existenz des Lebens. Aus dem Gleichgewicht zu geraten, bedeutet das Verlassen der Normalität. Doch sind unser eigener Zustand, unser Befinden und unsere Erscheinung keine Konstante, sondern einem stetigen Wandel unterlegen. Ebenso wie wir uns in unserer Umgebung, der modernen Gesellschaft, empfinden, bildet auch unser Bezug zur Natur einen Gradmesser für die eigene Verortung im Leben. Durch das stetige bewusste und unbewusste Positionieren erhoffen wir uns ein Gleichgewicht, das jedoch aufgrund seines fragilen Stadiums schwer zu erreichen und zu halten ist. Körperliches und emotional-geistiges Gleichgewicht hängen zusammen. Im Lot zu sein, bedeutet mehr, als sich nur körperlich ausgelotet und im Gleichgewicht zu bewegen. Es reicht nicht, einmal diesen Zustand zu erlangen und dann statisch daran festzuhalten. In jedem Moment müssen wir unsere Positionierung an die Veränderung in uns und in unserer Umwelt neu ausloten. Heutiges Nachdenken über das Verhältnis der Menschen zu sich selbst, zueinander und zu ihrer Umwelt beinhaltet das Neu-Thematisieren und Ausloten der Beziehungsverhältnisse der Menschen zu Sprache und Macht, Leib und Seele, Sexualität, Raum und Zeit, Bild und Zeichen. Die Luftblase in der Libelle kann auch als gespeicherter Moment Zeit verstanden werden, da unsere Erinnerung gleichermaßen versucht, im Laufe der Jahre alles Erlebte ins Lot zu bringen.

 

Die Uhr und das Lot sind in besonderer Weise geeignet, um bewusst zu machen, dass Zeit und Raum nur durch einen stillstehenden Betrachter wahrgenommen werden können. „Das Lot ist der Fingerzeig Gottes an uns Erdgebundene.“ Das Lot ist die Stille, die absolute Unbeweglichkeit. Lote werden zu Zeitmessern der Stille, der Zeitlosigkeit. Sie bilden die ideale gerade Linie und verweisen auf die Gesetze der Schwerkraft in der Vertikalen, so, wie das Wasser die Horizontale festlegt.

 

 

Der ludische Aspekt der Arbeit fasziniert den betrachtenden Menschen, der, angezogen von ihrer Antinomie und der Überzeugung, alle Luftblasen in der Mitte anordnen zu können, immer wieder versucht, den Rahmen genauer auszurichten. Durch Fertigungstoleranzen ergeben sich bei den Luftbläschen in den Libellen Unterschiede in der Anzeige. Dies kann metaphorisch als Unmöglichkeit gelesen werden, ganzheitliche, allumfassende Balance und Harmonie zu erreichen.

(Lou von der Heyde)

Konrad Wallmeier
experimenteller Künstler
Schwaighofstr. 1
79100 Freiburg
info@dieleuchten.info

Tel.:  0174-9219359